Mietrecht: BGH setzt strenge Maßstäbe für Verwertungskündigung

Darf ein Eigentümer seinen Mietern kündigen, um sein Wohngebäude abreißen zu lassen und eine Gewerbeimmobilie auf dem Grundstück zu bauen? Grundsätzlich sieht das Bürgerliche Gesetzbuch eine solche wirtschaftliche Verwertungskündigung vor. Die muss allerdings sehr gut begründet werden – denn der Bundesgerichtshof hat jetzt in einem Urteil enge Grenzen dafür gesetzt.

Ein Modegeschäft will expandieren - darf der Eigentümer dafür das benachbarte Wohnhaus abreißen lassen?

Darf ein Eigentümer seinen Mietern kündigen, um sein Wohngebäude abreißen zu lassen und eine Gewerbeimmobilie auf dem Grundstück zu bauen? Grundsätzlich sieht das Bürgerliche Gesetzbuch eine solche wirtschaftliche Verwertungskündigung vor. Die muss allerdings sehr gut begründet werden – denn der Bundesgerichtshof hat jetzt in einem Urteil enge Grenzen dafür gesetzt.

Karlsruhe. Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses zur wirtschaftlichen Verwertung des Gebäudes ist nur möglich, wenn dem Vermieter ansonsten ein erheblicher Nachteil entstehen würde. Dieser Nachteil muss deutlich schwerer wiegen als die Nachteile, die dem Mieter durch die Kündigung entstehen. Gerichte müssen diese Nachteile beider Seiten entsprechend gründlich im Einzelfall prüfen – eine pauschale, plakative Benennung von Nachteile durch den Eigentümer reicht deswegen nicht aus. Zu dieser Entscheidung ist der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt gelangt (Urteil vom 27.09.2017, Az.: VIII ZR 243/16).

Die Richter entschieden in einem Fall, der sich in St. Blasien im Schwarzwald ereignet hatte. Dort hatte eine Firma im Jahr 2015 ein Wohngebäude gekauft. Sie wurde dadurch zur Vermieterin einer 190 Quadratmeter großen Wohnung, die bereits seit dem Jahr 2012 vermietet war. Der Firma gehörte schon das Nachbarhaus, das sie an ein ihre Schwesterfirma verpachtet hat. Diese betreibt dort ein Modehaus.

Im Juni 2015 kündigte die neue Eigentümerin des Wohnhauses den Mietern. Die Begründung: Die Firma wollte das Wohnhaus abreißen lassen, um auf dem Grundstück einen Erweiterungsbau für das Modehaus zu errichten. Das ermögliche langfristig einen höheren Ertrag als die Vermietung des Wohnraums – selbst wenn man die Investitionskosten abzieht, argumentierte das Unternehmen. Damit wollten sich die Mieter jedoch nicht zufrieden geben, es kam zur Räumungsklage.

Begründung muss im Einzelfall genau geprüft werden

In den ersten Instanzen war die Klage erfolgreich. Am Ende musste sich jedoch der Bundesgerichtshof mit der Frage befassen, ob die Kündigung rechtens war. Er entschied dagegen. Der Eigentümer habe keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung bzw. auf diejenige Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes, die ihm den größten wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Die Richter betonten aber auch: Die Nachteile, die für den Vermieter aus einer Fortsetzung des Mietverhältnisses entstehen, dürfen nicht weit über die Nachteile hinauswachsen, die dem Mieter im Falle der Räumung entstehen.

Daraus leitete der BGH die Feststellung ab: Das Recht des Vermieters zur wirtschaftlichen Verwertung zu kündigen, darf nicht allein auf Fälle eingeengt werden, in denen die Existenz des Eigentümers bedroht ist. Damit hat der BGH ein paar rote Linien definiert für die schwierige Abwägung, die Gerichte in solchen Fällen treffen müssen.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht damit argumentiert, dass die Erweiterung für das Modehaus von existenzieller Bedeutung sei. Der BGH kam allerdings zu der Auffassung, das Landgericht habe das nicht genau genug geprüft. Sich nur auf die allgemeinen, unkonkreten Angaben des Klägers zu stützen, wird nach Ansicht des BGH den hohen Anforderungen an eine Verwertungskündigung nicht gerecht. Der BGH hat den Fall deswegen zur erneuten, eingehenden Prüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Ein möglicher Schaden muss dem Vermieter selbst entstehen

Für diese Aufgabe gaben die Karlsruher Richter der Vorinstanz noch einen weiteren interessanten Hinweis mit auf den Weg. Die erheblichen Nachteile müssten dem Vermieter selbst entstehen. Im aktuellen Fall sind der Vermieter und das Modehaus, dem der mutmaßliche wirtschaftliche Schaden droht, jedoch unterschiedliche Firmen. Auch die persönliche und wirtschaftliche Verflechtung der beiden Unternehmen ändere daran nichts.

Die Thematik einer Kündigung zur wirtschaftlichen Verwertung eines Gebäudes oder auch wegen Eigenbedarfs durch den Eigentümer sorgt beim BGH immer wieder  für Arbeit. Immerhin stehen sich hier gewichtige Interessen von Eigentümern und Mietern gegenüber, die Abwägung ist auch für die Gerichte nicht immer einfach. Haus & Grund Rheinland berichtet deswegen regelmäßig über die Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema. Bei weitergehendem Interesse lohnt sich daher ein Blick in folgende Artikel:

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Dieser redaktionelle Beitrag wurde von <link http: www.hausundgrund-rheinland.de _blank external-link-new-window internal link in current>Haus & Grund Rheinland verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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